Mit einer starken Kooperation bringen das ZfP Klinikum Schloß Winnenden, der Kreisjugendring Rems-Murr und der Kreisdiakonieverband Rems-Murr ab sofort ein bundesweit bewährtes Präventionsprogramm an die Schulen im Kreis: „Verrückt? Na und! Seelisch fit in der Schule“. Ziel ist es, Jugendliche frühzeitig für psychische Gesundheit zu sensibilisieren, seelische Krisen zu enttabuisieren – und Hilfe bekannt und zugänglich zu machen.
Seit Juli 2025 sind die drei Institutionen unter Kooperationsleitung des ZfP offizielle Regionalpartner des Vereins Irrsinnig Menschlich e.V., der das Programm deutschlandweit etabliert hat. In Workshops mit Schülerinnen und Schülern zwischen 13 und 16 Jahren vermitteln gemischte Teams aus Fachkräften sowie Genesungsbegleiterinnen und -begleitern niedrigschwellig und lebensnah, dass psychische Gesundheit kein Tabuthema sein darf. Es handelt sich dabei um Expertinnen und Experten aus Erfahrung, die seelische Krisen selbst durchlebt haben.
Neben der Antistigmaarbeit wird auch das Thema Mobbing bewusst aufgegriffen. Daniel Barschtipan, Projektleiter und Pflegedienstleiter im ZfP, beschreibt: „Das Thema Mobbing nimmt insgesamt zu – in einer Dimension und über Social Media, bei der sich Schülerinnen und Schüler nicht mehr abgrenzen können. Wir wollen bewusst machen, dass seelische Gesundheit durch Mobbing negativ beeinflusst werden kann. Wir erleben tagtäglich, wie junge Erwachsene mit psychischen Belastungen kämpfen – oft unbemerkt, oft sprachlos. Dieses Projekt bringt das Thema mitten ins Klassenzimmer, gibt Betroffenen eine Stimme und allen anderen ein neues Verständnis.“
Psychische Krisen gehören in die gesellschaftliche Mitte
Auch Matthias Hefker, Fachbereichsleitung Sozialpsychiatrische Hilfen beim Kreisdiakonieverband Rems-Murr, betont die zunehmende Bedeutung frühzeitiger Unterstützung: „Die Menschen, die zu uns kommen, werden immer jünger. Wir möchten früh schauen, dass die Beratungsangebote vor die Krise kommen und die Krise gar nicht erst entsteht. Gemeinsam mit den Schulen kann sensibilisiert werden: für den Umgang miteinander – und dafür, wie zur Entstigmatisierung beigetragen werden kann. Psychische Erkrankungen sind etwas, das zwischenzeitlich bei rund einem Drittel der Menschen in Deutschland vorkommt – daher gehört dieses Thema in die gesellschaftliche Mitte“, sagt er.
Auch der Kreisjugendring sieht in dem Projekt einen lang ersehnten Baustein frühzeitiger Unterstützung. Sozialarbeiterin Valerie Bieder berichtet: „Die Nachfrage wird bei uns immer höher. Das Thema psychische Gesundheit rückt bei den Jugendlichen, die ich betreue, immer mehr im Fokus. Es sind oft auch multiproblembelastete Menschen. Als Träger ist es uns daher sehr wichtig, die Jugendlichen zu sensibilisieren – auch, dass psychische Erkrankungen kein Tabuthema sein sollten.“
Workshops auf Augenhöhe – direkt im Klassenzimmer
In sechs Unterrichtseinheiten (ein Workshoptag) kommen die Themen aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler selbst, dies können sein: Leistungsdruck, Mobbing, Angst, Depression, Sucht oder Identitätsfragen. Statt Frontalunterricht gibt es Gruppenarbeiten, Dialogrunden und offene Gespräche – bewusst ohne Offenlegung, wer Fachkraft und wer Erfahrungsexpertin oder -experte ist. So entsteht echte Begegnung auf Augenhöhe. Die Workshops sind dabei mehr als reine Aufklärung: Sie wirken präventiv und stärken Jugendliche in Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeit und gegenseitigem Verständnis. „Durch unsere Teams in den Klassenzimmern und Expertinnen und Experten, die eigene Erfahrung mitbringen, möchten wir sichtbar machen, dass seelische Gesundheit keine Selbstverständlichkeit ist. Und dass man auch nach einer Krise wieder ins Leben zurückfinden kann. Diese Erfahrung aus erster Hand ist das Besondere am Projekt“, erklärt Barschtipan.
Im ersten Jahr sind zunächst fünf Projekttage an Schulen im Raum Winnenden geplant – beginnend im Juli mit der Geschwister-Scholl-Realschule. Perspektivisch soll das Angebot auf den gesamten Rems-Murr-Kreis ausgeweitet werden. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf rund 90.000 Euro. Ermöglicht wird der Projektstart durch eine einjährige Förderung von rund 72.000 Euro aus Mitteln des regionalen Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) im Rems-Murr-Kreis im Rahmen der Ausschreibung „Soziales Innovationsprojekt“. Die verbleibende Summe wird kofinanziert.
Frühzeitig unterstützen statt später behandeln
Klaus Kaiser, Pflegedirektor am ZfP, betont die gesellschaftliche Bedeutung: „Seelische Gesundheit betrifft uns alle. Jugendliche sollen wissen, dass es Krisen im Leben gibt. Wenn sie es schaffen, psychische Krisen nicht als Schwäche zu sehen, lernen sie einen anderen Umgang damit. Wenn wir somit früh ansetzen, können wir womöglich verhindern, dass aus einer Belastung eine Krankheit wird. Damit entlasten wir nicht nur die jungen Menschen selbst, sondern auch Familien, Schulen, Kliniken – letztlich die ganze Gesellschaft. Das Projekt baut Brücken – zwischen Schulen, Jugendlichen, Hilfenetzwerken wie dem Kreisdiakonieverband und Kreisjugendring und uns als psychiatrischer Einrichtung.“
Projekt-Info und Kontakt
„Verrückt? Na und! Seelisch fit in der Schule“ ist ein Präventionsprogramm des Vereins Irrsinnig Menschlich e.V. (Leipzig). Seit über 20 Jahren engagiert sich der gemeinnützige Verein dafür, psychische Gesundheit zu fördern und Krisen vorzubeugen. Detaillierte Informationen zum Programm unter https://www.irrsinnig-menschlich.de. Interessierte Schulen können sich gerne noch melden. Ansprechpersonen: ZfP Winnenden: Daniel Barschtipan, E-Mail: D.Barschtipan@zfp-winnenden.de; beim Kreisjugendring: Valeria Bieder, E-Mail: valeria.bieder@jugendarbeit-rm.de sowie beim Kreisdiakonieverband Rems-Murr-Kreis: Matthias Hefker, E-Mail: m.hefker@kdv-rmk.de.